Eine Hütte für mich alleine

In den End-Siebzigern, Anfang der Achtziger Jahre, kurz vor der Trennung meiner Eltern fing meine Mutter ihre persönliche Emanzipation an. Immer mehr Frauenliteratur lag bei uns rum. An einige erinnere ich mich und ein Titel ist mir, neben Häutungen, immer im Kopf geblieben. „Eine Hütte für mich alleine“, genau diese Ausgabe lag bei uns zu Hause rum.

Ich denke nicht, daß dieses Buch ursächlich ist für mein Bedürfnis ein eigenes Zimmer zu haben, aber als mein kleines Büro/Nähzimmer neulich umgestaltet wurde, kam mir immer wieder dieser Buchtitel in den Sinn.

Ich habe das Privileg gehabt ab dem Alter von fünf Jahren ein eigenes Zimmer zu haben. Ich bin als ich auszog in ein Studentenwohnheim gezogen und hatte dort meinen eigenen Raum, ich bin nach knapp sieben Jahren in das Wohnheim des Mannes gezogen und hatte dort auch meinen eigenen Raum. Als wir danach die erste gemeinsame Wohnung bezogen bestand ich auch dort auf mein eigenes Reich. Weder kam mir das wie eine reguläre Erwachsenenwohnung vor (nach gut 25 Jahren mit eigenem Zimmer plötzlich keins mehr zu haben kam mir auch seltsam vor), noch konnte ich die Hälfte der Miete bezahlen. Ich wollte das proportional zur Mietzahlung  gerecht aufteilen, er zwei Räume ich einen Raum. Außerdem wußte ich, daß ich zum einen mehr zu Hause arbeiten/lernen werde, zum anderen wollte ich meine Sachen um mich rum haben und sie nicht in seinem Chaos verschwinden lassen. (mein Chaos ist ein ganz anderes und nie so unordentlich wie seins :))

Irgendwann kam das erste Kind, wir hatten inzwischen ein gemeinsames Schlafzimmer, aber mein Zimmer blieb und ich teilte es mit dem Tochterkind, zumindest ihrem Spielzeug und Wickeltisch. Ein weiteres Kind kündigte sich an und wir zogen aus anderen Gründen in eine neue Wohnung in eine neue Stadt.

Auch in der neuen Wohnung bestand ich auf mein Zimmer. Meinen Ort, meine Sachen, mein Rückzugsort. Interessanterweise nutze ich diesen Raum dann aber kaum, mit dann zwei Kindern war nicht viel Zeit für Rückzug, ich hatte aus Widerwillen gegen den Umzug den Raum kaum eingerichtet und im Grunde standen dann dort nur meine Sachen und ab und an nähte ich dort.

Nach dem Zwischenspiel in der ungeliebten Stadt ging es zurück in die Heimat und wir suchten erneut eine Wohnung, wieder war es mir unglaublich wichtig meine Sachen gebündelt an einem Ort zu haben, mich dort in meine Sachen zurückziehen zu können. Das bitte nicht falsch verstehen, ich habe inzwischen drei Kinder, Familie, ich liebe sie, ich möchte sie nicht missen. Aber genau wie der Beruf des Mannes sich Raum in meinem Leben nimmt, so nehmen die Kinder (und die Familie) noch mehr Raum von mir. Erst in meinem Körper, dann in meinem Leben. Ich bin zu großen Teilen fremdbestimmt, alle Orte um mich herum sind besetzt. Der Mann hat wenigstens immer ein Büro für sein erwachsenes selbst, einen Rückzugsort, wenn auch nicht unbedingt zur Entspannung. Mir bleibt die Wohnung, die aber eben von allen anderen auch genutzt wird. Also kurz gesagt, in der neuen Wohnung reklamierte ich das ehemalige Mädchenzimmer mit seinen knapp sechs Quadratmetern für mich. Inzwischen nähte ich mehr, brauchte einen Platz für die Nähmaschine, für meine Wolle und meine Fotos, Briefe und natürlich auch meine Studienunterlagen, denn bei Einzug stand die Vollendung des Examens noch aus. Und vor das Examen ist nunmal das Lernen angesetzt.

So wurde das Minizimmer mit den Möbeln die irgendwie über waren vollgestellt, eine provisorische nicht besonders große Tischplatte eingebaut und ich nutzte den Raum zum Lernen und später zum Nähen an dem alten Schätzchen, Papierkram machen, während des Minijobs zum Arbeiten oder einfach zum Musik hören. Letztes Jahr dann zog meine neue Nähmaschine ein, für die gab es im Zimmer kein Platz, deswegen lebte sie erstmal auf dem Eßtisch. Im übrigen war mein Stoffvorrat inzwischen gewachsen und belegten die Wohnung, auch dort wo der Platz eigentlich für anderes gebraucht wurde.

Im Herbst bekam ich dann die Idee, daß in das kleine Zimmer mehr Stauraum muß, daß ich eine andere Arbeitsplatte brauche um die Nähmaschine vom Eßtisch zu entfernen und daß der Fußboden sowieso schrecklich ist.

Exemplarisch mal zwei Bilder, die, das muß ich zu meiner Verteidigung sagen, noch während des Ausräumens enstanden, da es sonst nicht ganz so rümppelig war.

IMG_0646Der Blick von der Tür zum Schreibtisch, links das zu tiefe aber zu niedrige alte Regal, rechts an der Wand zwei kleine Billy Regale.

IMG_0642Der Blick durch die Tür auf die gegenüberliegende Wand, die Nähmaschine in ihrem Schränkchen stand immer da, nur die Kisten davor nicht, die wurden nur beim Rumräumen da abgestellt. Man beachte diesen schrecklichen Plastikfußboden.

Ich überlegt also hin und her, hob den Boden an um zu sehen ob vielleicht doch Holz drunter sein, fand aber aber nur eine weitere PVC Schicht. Recherchierte und befand, daß ich einen Linoleum Boden wollte. Um genauer zu sein, nicht einfach irgendeinen, sondern den im Klicksystem zu verlegenden von Meister, die gibt es in so vielen schönen Farben, sind recht einfach einzubringen und haben ein bischen Trittschallkaschierung dabei. Also Muster angefordert, nochmal und nochmal, bis ich mich für eine Farbe entschieden hatte. X-mal versucht das winkelige Zimmer auszumessen, hin und her gerechnet und dann beschlossen, den will ich. Die Entscheidung für das Regal war schwieriger, die Stimme der Vernunft aka DoP schlug Ivar vor, da man es gut anpassen kann. Irgendwie hatte ich trotz aller Vernunft keine rechte Lust das wieder anzuschaffen, nachdem wir unseren Bestand im Zuge diverser Umzüge auf null dezimiert hatten. So wanderte ich durch Möbelläden, suchte im Netz und schaute mir so das ein oder andere System an. Fündig wurde ich dann bei Holzconnection. Mehrere Besuche, wieder hin und her gerechnet. Mit dem Mann gesprochen, Zeichnungen angefertigt, Oberflächen überlegt und keine Lösung gefunden die ich bezahlbar fand. Immerhin hatte ich anfänglich gesagt, dass man mit 500€ doch gut was schaffen könne. Diesen Betrag erreichte ich aber schon fast mit dem Fußboden, wenn ich den kleinen Vorflur mitmachen lassen wollte.

Und dann war da noch die Arbeitsplatte, L-förmig sollte sie werden, damit ich die Nähmaschine da hinstellen kann und trotzdem die Arbeitsfläche frei habe. Ein sehr netter Besuch im Bauhaus war zwar aufschlußreich, aber mit Lieferung, Oberflächenbearbeitung, Fräsen und ähnlichem war die eigentlich günstige Arbeitsplatte gar nicht mehr so günstig.

Im Laufe des Prozesses, nachdem ich wiederholt versuchte den Mann in die Entscheidung mit einzubeziehen und seine Meinung zu bekommen sagte er entnervt, ich solle jetzt mal die Summe X in die Hand nehmen, die Platte und das Regal einheitlich gestalten, sprich von Holzconnection machen lassen und gut sei.

Also berechnete ich neu, entschied nochmal um, besuchte wiederholt den netten Fillialleiter bei HC und traf eine Entscheidung. Gegen Nußbaumanleimer, da die Platte in gleichem Holz zu teuer werden würde und für Buche.

Im Dezember dann der große Tag, ich nahm meine Zeichnungen, die Verkaufsgesprächnotizen und bestellte die Möbel. Im Januar entschied ich, daß der Boden braun wird, auch auf das Risiko hin, daß dadurch der Raum zu dunkel werden könnte, und bestellte diesen auch.

Im Februar war es dann so weit, die Lieferung sollte Mitte des Monats erfolgen. Also suchte ich mir einen Handwerker für die Bodenverlegung und machte den Montagetermin für die Möbel fest. Zeitgleich wollte die Große noch eine Faschingsfeier machen und das Baby seinen ersten Geburtstag feiern. Alles auf einmal ist mal wieder typisch für mich/uns.

Am Abend vor dem Montagetermin für den Fußboden sagte mir der Fußbodenleger ab und war nicht mehr erreichbar, und das obwohl am übernächsten Tag die Möbel kommen sollten, ich die Wohnung mit all dem Kram aus dem Zimmer vollgestellt hatte und überhaupt endlich mal wieder nähen wollte. Irgendwie schaffte ich es dann einen anderen Bodenleger einen Tag später zu bekommen und die Möbelaufbauer sagten dann eh den ursprünglichen Termin ab. Also gab es Freitags Boden und Montags die Möbel. Ich hätte zwar gerne das Wochenende zum Einräumen gehabt, aber nun gut.

IMG_0683 Man erkennt, wie der Raum schon durch den neuen Boden gewann. (Es mußten drei Schichten bzw zwei Schichten alter Boden rausgerissen werden!)

Dann kamen endlich die Möbel und der Raum war nach deren Aufbau plötzlich ein ganz anderer.IMG_0708

Dann folgte das Einrichten, das Zurückschleppen meiner Sachen in das Zimmer, das Aufstellen der Nähmaschine und dank des Rumgenöles der Düsseldorferin das Dekorieren. Zusätzlich hatte meine Mutter in der Woche des Umbaus noch gemeint sie wolle ihren Sesse loswerden, also blieb noch die Überlegung wie der da reinpaßt. Ich hatte im Vorfeld schon gedacht, daß an die Stelle wo die alte Nähmaschine stand eine Sitzgelegenheit hinsollte, damit man da auch mal lesen oder so kann, fand aber bis dato nix passendes.

Lange Rede kurzer Sinn, der meiste Kram ist zurück in dem Raum, es ist ein bischen dekoriert,  vernachlässigen wir mal die Tatsache, daß ein bischen Krempel in der Wohnung rumsteht und schauen lieber wie das Resultat der monatelangen Planungs- und Wartezeit aussieht.

IMG_7670Der Blick von der Tür zu meinem Arbeitsplatz

IMG_7671Der Schenkel der Arbeitsplatte auf dem sonst die Nähmaschine steht, dort unter der Lampe. Die Tüten liegen auf dem Fußhocker vom Sessel auf einem Stapel angefangener Nähsachen.

IMG_7672Der Blick von der Arbeitsplatte zum Regal, die Kartonagen werden noch ausgewechselt, wenn mein Bruder mir endlich welche gebaut hat. Die Stehsammler sind schon neu. Man sieht vielleicht wie die alte Nähmaschine in ihrem Schränkchen nun in das Regal geschoben wird.

IMG_7673Der Blick von der Arbeitsplatte auf die andere Wandseite, den Sessel und die Tür.

IMG_0782Und extra für die Düsseldorferin nochmal die dekorierte Fensteransicht. 🙂

Auch wenn es in dem Raum gerade etwas kramig ist, ich bin mitten in zwei Projekten, ist er jetzt luftiger und wesentlich ruhiger als vorher, regelrecht gemütlich würde ich sagen. Zumindest so gemütlich, daß plötzlich der Rest der Familie ständig meint sich in diesem Raum aufhalten zu müssen. Der Mann meint das sei jetzt sein Arbeitsplatz wenn er daheim etwas arbeiten muß, die Kinder meinen wechselweise es sei ihr Leseort, Toberaum oder Hausaufgabenplatz, wenn sie nicht eh zu dritt meinen bei mir sein zu müssen wenn ich mich dort zurück ziehe. Ich hab zwar den relativ teuren Umbau damit gerechtfertigt, daß die anderen meinen Raum auch mal nutzen dürfen wenn sie es brauchen, aber das Betonung lag auf mal und meinen.

Aber es ist nunmal so wie es ist und im Grunde zählt nur, daß mir das Endergebnis sehr gut gefällt und die kleinen Baustellen die es noch hat, werden im Laufe der Zeit noch verschwinden.

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5 Antworten zu “Eine Hütte für mich alleine

  1. Toll, dass Du einen eigenen Raum hast! Die Regale gefallen mir und die Wandlampe hatte ich auch schon seeeehr ins Auge gefasst.

    • Ähm die Wandlampe ist meine dritte Tolomeo, ich hab inzwischen sogar vier. Angefangen hat es mir einer am Sofa für vernünftiges Licht zum Stricken. Dann auf dem Schreibtisch zum Lernen. Nun die an der Nähmaschine und noch eine am Sessel. Ich konnte einfach keine andere finden, die so gutes Licht macht. Ich find die Regale auch toll, endlich Platz für fast alle Kisten und sie sind wesentlich stabiler als Billy und Co. Danke für die netten Worte 🙂

  2. Eine schöne Neugestaltung ist dir da gelungen! Ich würde ja die ganze Zeit in diesem urgemütlichen Sessel sitzen 😉

  3. Gefällt mir gut, sieht sehr gemütlich aus.

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