Redet mehr mit den Menschen

Es ist schon auffallend wieviele der Nutzer des ÖPNV sich hinter Kopfhörern, Smartphone oder Buch verschanzen. Manche schotten sich auch einfach durch abwesenden Blick bzw. geschlossene Augen ab. Ich gebe zu, auch ich fahre oft nach der Arbeit einen Umweg von ca. 25 min um noch ein bischen Zeit für mich zu haben und dabei einen Kaffee zu trinken bevor ich die Kinder einsammele. Ich brauche diese Auszeit um nicht von einem Job in den nächsten zu stolpern. Trotzdem beobachte ich dabei gerne die Menschen um mich rum. Komme des öfteren mal mit dem einen oder anderen ins Gespräch.

So auch vorgestern als ich auf den Bus wartete. Ich sass und eine ältere Dame fragte mich ob dort auf der Bank noch Platz für sie sei. Sie setze sich zu mir und fing an zu erzählen. (Nein sie redete nicht erratisch los, aber der Aufhänger für die Kontaktaufnahme ist mir entfallen.)

Jedenfalls erfuhr ich, dass sie schon 84 Jahre alt ist, einen Sohn hat der über 60 Jahre alt ist. Dass sie schon viermal auf Hawaii war, aber das letzte mal war es blöd. Dass sie mit 55 Jahren aus dem Postdienst in den Ruhestand gegangen ist und dann einfach mal nach Melbourne flog, da kannte sie jemanden (ich habe es so verstanden, dass es sich um einen Mann handelte) und dort war sie dann auch bis vor einigen Jahren. Seit sie wieder hier ist hat sie Rheuma und überhaupt war dies ein ungutes Jahr, diverse gesundheitliche Beeinträchtigungen.

Außerdem habe sie gestern bei einer Nachbarin in einem Sessel gesessen den sie nun auch haben will, und sie deutete beim Erzählen auf die Strasse hinter dem Saturn. Mir fiel sofort ein, dass es dort die Stressless Sessel gibt und genau so einen wollte sie. Aber den kauft sie erst, wenn sie im Januar ihren Termin mit ihrem Professor hinter sich gebracht hat. Als ich fragte ob sie studiere antwortete sie, nur mit dem Namen des Professors, als müsste ich den kennen. Es stellte sich dann raus, dass er ein bekannter Krebsarzt ist, weiter habe ich dann nicht nachgefragt.

Den Tag vor unserem Treffen war die Dame übrigens in Grönland, aber nur via Dia-Show bei einer Freundin, da wolle sie aber nicht persönlich hin, denn dort sei es ihr zu kalt und dunkel, aber beeindruckend waren die Bilder schon. Ansonsten sei sie aber sehr viel gereist in ihrem Leben.

Als ich nochmal nach dem Sohn fragte, erzählte sie, dass er zur See gefahren sei und nun in Spanien hängen geblieben ist und sie sich deswegen kaum sehen. Wir sassen inzwischen im Bus nebeneinander und sie erzählte und erzählte. Unter anderem auch, dass dort wo am Gänsemarkt der Rossmann ist, früher ein Tanzlokal war (leuchtende Augen) und es unmöglich ist, dass das Haus jetzt abgerissen werden. Und vorher tuschelte sie mir zu, dass für sie Hamburg die schönste Stadt der Welt sei, aber nachdem sie so viel von der Welt gesehen hatte müsse das eigentlich revidieren, gerade weil sich baulich so viel ändert.

Übrigens möchte sie mindestens so alt werden wie ihr Vater der kurz vor seinem 89ten Geburtstag verstarb. Und dann kam schon ihre Haltestelle und sie sagte noch sie ist glücklich und das Leben ist schön. Wünschte mir alles Gute und stieg aus.

Für solche Geschichten und den optimistischen Blick aufs Leben lohnt es sich immer wieder zuzuhören.

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