Bei aller Ähnlichkeit sind meine beiden Großen in einigen Punkten unterschiedlich wie Tag und Nacht. Die Große ist die offensichtlich empathische, die, die eher auf andere zugeht und eine, die viel redet. Der Sohn ist eher mit sich beschäftigt, wartet lieber erstmal ab, hat nicht so einen großen Freundeskreis wie die Tochter, redet auch viel, aber nicht so überrollend und seine Empathie ist eher subtil, da er vieles gar nicht ausspricht. Ungeduldig können sie beide, aber die Frustrationsintoleranz des Söhnchens ist wesentlich ausgeprägter als beim Tochterkind.
So steht die Große schon immer gerne im Mittelpunkt, ist bei Aufführungen des Kindergartens, der Musikschule oder der Schule generell immer als erste Freiwillige dabei, ohne Scheu, in der ersten Reihe. Eine 1a Rampensau. Der Sohn hingegen kann sich zwar lautstark bemerkbar machen, steht aber nicht so gerne im Rampenlicht, Musikschule besuchen wollte er nicht und bei Aufführungen von Kita oder Schule ist er zwar dabei, aber eher nur weil alle mitmachen, nicht weil er sich dazu gedrängt fühlt. Nichtsdestotrotz ist der dann trotzdem stolz wenn er aufgeführt hat und legt besonderen Wert darauf, daß die Eltern sich das angeschaut haben.
So führten diese Unterschiede in den letzten Wochen zu einem komplett unterschiedlichen Umgang mit eigentlich dem selben Thema. Via twitter erfuhr ich von einem Casting des Stage Entertainments für ein neues, im November aufzuführendes Musical. Also fragte ich, die eigentlich immer (bis zu meiner Schmerzgrenze) rumsingende, -tanzende, -posierende Tochter, ob sie Lust hätte, an einem solchen Casting teilzunehmen. Sie war sofort Feuer und Flamme. Wir schrieben zusammen eine Bewerbung und sie bekamen relativ schnell die Einladung zu dem Casting Termin. Sie überlegte sich einen vorzutragenden Song, übte mehr oder weniger ausgiebig, fragte noch eine entsprechende Lehrerin an der Schule nach Tipps und fuhr recht entspannt mit mir zum Termin. Ich gebe zu, ich war aufgeregter als sie. Nicht weil mir wichtig war, daß sie weiter kommt, sondern eher weil ich Sorge hatte man würde sie in ihrem Selbstbewusstsein treffen können. Dann trafen auch noch Kinder ein, die offensichtlich schon die Richtung Unterricht hatte, mit dementsprechenden Eltern. Wohlwissend wurden alle Eltern weg geschickt, während die Kinder gecastet wurden. Die Stunde verging recht zügig und ich holte ein immer noch recht ruhiges Tochterkind ab. Meine Nachfragen wie es war, wurden recht kurz beantwortet, nicht schlecht, aber sie wäre wohl etwas leise gewesen und die anderen hätten deutsch gesungen bzw. Stücke aus dem kommenden Musical (ich frage mich heute noch woher sie die kannten). Viel interessanter fand sie, daß der eine (fast unbemerkt) Junge weinte weil er wohl Schmerzen hatte und dass eines der Mädchen so toll gesungen hatte. Immerhin erfuhr ich noch, daß die Caster sehr nett zu ihnen gewesen waren und sie es ungerecht fand, daß die was zu Essen/Trinken hatten, die Kinder aber nicht. 🙂 Unter Strich, war sie aber stolz teilgenommen zu haben und sich auch sehr bewußt, daß sie durchaus durchgefallen sein konnte. Einige Tage später, früher als angekündigt bekam ich den Anruf mit dem Ergebnis. Mir wurde mitgeteilt, daß die Caster(heißt das eigentlich so) das Tochterkind toll fanden (wie kann man auch nicht;)) und gerne mit ihr weitermachen wollen. Das bedeutet, dass Stage momentan eine Schule für Kinder aufbaut und in dieser werden die teilnehmenden Kinder auf das Musical vorbereitet und das Tochterkind ist dabei. Dies bedeutet zwar nicht, daß sie am Ende auch tatsächlich auf der Bühne stehen wird, aber sowas entscheidet sich eben im Laufe des dann statt findenden Unterrichts. Dreimal darf man raten wer stolz wie Bolle war (Die Tochter und natürlich auch die Eltern) und wer das sofort per WhatsApp seinen Freundinnen, eigentlich der ganzen Klasse mitteilen mußte. Soweit das Tochterkind.
Der Sohn hingegen komplett anders. Meist eher etwas muffelig und pampig unterwegs knallte er mir vor einiger Zeit einen Zettel aufs Sofa. „Da Mama, da war heute ein Chortyp in der Schule, da gabs den Zettel, ich will da aber nicht hin“ und er verschwand in sein Zimmer um sich wahrscheinlich dem iPad zu widmen. Ich schaute mir das erstmal nicht so genau an. Da kommen öfter mal Zettel aus der Schule von irgendwelchen Vereinen oder so, die Kinder anwerben wollen. Etwas später warf ich einen Blick drauf, stellte fest, daß sein Name drauf stand, las ein bischen und zitierte den Sohn zu mir, was es denn nun damit auf sich habe. Halb im Vorbeigehen, ganz beiläufig erfuhr ich, daß ein Chorassistent in der Schule war, sich die Jungen angehört hatte und danach auswählte, welche davon er zur Probestunde einlade. Als das Söhnchen schon fast wieder um die Ecke war, sagte er noch, daß er aus seiner Klasse der Einzige war, der eingeladen wurde, daß ihm sein Klassenlehrer das extra nochmal gesagt habe. Waaaaa? Ja mir war schon vor einigen Jahren aufgefallen, daß er ziemlich rasch und fehlerfrei Lieder nachsingen kann, dazu noch mit einer hübschen Stimme, wenn er sie nicht aus Unsicherheit verstellt. Als Mutter findet man aber vieles gut, was die Kinder machen, aber, jetzt von neutraler Seite gesagt zu bekommen, daß mein Sohn so gut ist, daß ein nicht unerheblicher Chor ihn gerne mal dabei hätte machte mich unendlich stolz. Aber der Sohn wäre nicht der Sohn, wenn er das nicht abgelehnt hätte. Da ich aber das musikalische Talent meiner Kinder durchaus kenne und es so bitterschade finde, wenn sie damit nichts anfangen möchten begann ich mit meiner Bestechung Überzeugungsarbeit. Ich erklärtem ihm wie toll das ist und wie stolz ich sei und daß man das Ganze doch mal probieren könne, immerhin sei er zu vier kostenfreien Probestunden eingeladen. Weiterhin führte ich aus, daß das etwas wäre, was er ganz alleine mit mir machen würde, ohne Schwestern, nur exklusive Mamazeit, die er öfter mal zu unpassenden Zeitpunkten einfordert. Das griff alles nicht, also fuhr ich andere Geschosse auf und lockte mit einer Skylanderfigur, die es nach minimaler Teilnahme von zweimal ohne popelnd unbeteiligtes in der Ecke Rumstehen geben würde. Er willigte ein und diese Woche gingen wir also endlich zur Probestunde. Auf dem Weg dorthin Dauergenörgel, daß er doch nicht wolle, daß er lieber für sich alleine singe, daß er Musikunterricht schon in der Schule doof fände und überhaupt. Ich bin der Ansicht, man darf Kinder zu nichts zwingen was sie nicht wollen, zumindest bei Freizeitaktivitäten und andererseits finde ich so eine Chance darf man nicht ungenutzt verstreichen lassen. So stand ich da und überlegte was wir nun tun sollten. Wie so oft waren wir etwas spät dran und lange Zeit blieb nicht. Ich antwortet dann irgendwann resigniert, daß er gerne Umdrehen und nach Hause gehen könne. Das erstaunte ihn so, daß er ganz perplex fragte was ich denn dann tun würde. Ich erklärte ihm, daß ich trotzdem hinfahren und sagen würde, dass er nicht komme. Das war ihm dann fast so peinlich, wie in der ersten Reihe stehen und singen. Im Endeffekt kam er also mit, motzend, aber weniger. Wir kamen also wenige Minuten zu spät, die Chorleiter war schon am Erklären des Ablaufs. Glücklicherweise waren es nur so 10-12 Jungs und der Leiter begrüßte uns sofort, fragte nach dem Namen des Söhnchens und zeigte ihm sofort den Platz wo er sich hinzubegeben habe. Kein Raum für lange Diskussionen. Ich blieb dabei und schaute zu und sah, wie der Sohn mitmachte. Eine andere Wahl hatte er auch nicht, der Chorleiter hat eine sehr ruhige freundliche aber durchaus bestimmte Art mit der er die Rabauken bei kleinsten Auffälligkeiten wieder einfing und zum Mitmachen brachte. Die Lieder die dort gesungen wurden kannte der Sohn zwar nicht, aber ich konnte beobachten wie er versuchte bei allem mitzumachen. Was ihm bei den Spaßliedern, die zur Auflockerung zwischendurch gesungen wurden leichter fiel, als bei den anderen. Aber er machte mit. Ich hatte eher erwartet er würde bockig in der hintersten Ecke stehen und sich das alles etwas mürrisch ansehen und versuchen sich zu verstecken. Durch das vorhandene Setting hatte er dazu keine Chance. Und im Laufe der 45 sah ich ihn eindeutig zweimal lächeln/grinsen und besonders gequält wirkte er nicht. Die Zeit ging fix vorbei und wir verabschiedeten uns und gingen. Draußen sagte er mir, daß es nur ein bischen doof war und sang mir den Song aus dem Lego Film vor. Wir haben uns inzwischen geeinigt, daß er mindestens nächste Woche nochmal geht. Ich bin gespannt.
Ich muß abschließend noch anmerken, daß Bühnenauftritte bei der Tochter eigentlich nur eine Ausdrucksform ihrer eh schon extrovertierten Persönlichkeit sind, diese unterstreicht. Beim Sohn sehe ich so eine Teilnahme am Chor etwas differenzierter. Ist er zwar was Mathe angeht seiner Schwester überlegen, so ist er ihr verbal und an Präsenz oft etwas unterlegen, was dazu führt, daß er sich oft zurück gesetzt fühlt. Wenn er nun in etwas gefördert wird, was er besonders gut kann, in diesem Fall das Singen und damit auch noch auftritt. Dann wäre das so toll um seinen Selbstwert, sein Selbstvertrauen zu stärken, etwas, das ihm auf ganzer Linie gut tun würde, so daß er in gewissen Bereichen dadurch weniger Notwendigkeit sieht sich eher leicht aggressiv durchzusetzen zu müssen. Wie dem auch sei, stolz bin ich auf Beide, egal ob sie aus den Möglichkeiten nun etwas machen oder nicht und an meiner Liebe zu Ihnen ändert sich sowieso nichts.